Elf enge Haarnadelkurven, gerade breit genug für ein Fahrzeug. Dazu ein 300 Meter hoher Wasserfall, der sich direkt neben der Straße in die Tiefe stürzt und dessen Gischt auf die Seitenscheibe deines Fahrzeugs klatscht, während du bei 9% Gefälle über eine alte, schmale Natursteinbrücke auf die nächste Kurve zusteuerst … willkommen am Trollstigen!
In diesem Beitrag nehme ich dich mit auf den wohl abenteuerlichsten Straßenabschnitt unseres Roadtrips durch Südnorwegen, der uns vom berühmten Geirangerfjord bis zum Gjerdsetvatnet bei Åndalsnes führt und gleichzeitig den nördlichsten Punkt unserer Reise markiert.
Die Landschaftsroute Geiranger-Trollstigen
Norwegens Straßen haben es in sich! Die Erbauer (und Erhalter!) mussten sich vielerorts mit den Naturgewalten arrangieren, um das Land für den Autoverkehr zu erschließen und dabei auch noch wahre Meisterleistungen der Ingenieurskunst zu vollbringen. So zum Beispiel mit dem weltweit längsten Straßentunnel (24,5 laaange Kilometer zwischen Aurland und Lærdal, die ich als Beifahrer jedoch größtenteils verschlafen habe)
Und ja, selbst Kreisverkehre gibt es in manch norwegischem Tunnel:
Die norwegischen Landschaftsrouten zählen dabei gewissermaßen zu den „Best ofs“ für alle Norwegen- und Roadtrip-Fans und eine Fahrt über den Trollstigen genannten Abschnitt (zu deutsch „Trollleiter“) der Straße zwischen Geiranger und Åndalsnes sicherlich zu den atemberaubendsten. Die Passstraße überwindet dabei auf wenigen Kilometern über 400 Höhenmeter, führt am mächtigen Stigfossen Wasserfall vorbei und eröffnet, oben angekommen, einen traumhaften Ausblick auf das Romsdal Tal, eingebettet zwischen runden 1.700 Meter hohe Gipfel. Das Ganze ist so spektakulär, dass ich gleich zweimal rauf und wieder runter fahren muss, um es halbwegs zu realisieren!
Anreise von Geiranger
Unsere Roadtrip-Etappe zum Trollstigen beginnt genau genommen in Hellesylt, wo wir mit einer der ersten Fähren des Tages den Geirangerfjord entlang fahren und noch einige Stunde in Geiranger selbst verbringen, wie du in unserem vorherigen Blog-Beitrag nachlesen kannst.
Die Ørneveien (Adlerstraße) bringt uns schließlich Richtung Norden und besteht kurioserweise ebenfalls aus elf Haarnadelkurven, die bereits einen ersten Vorgeschmack auf die Trollstigen bieten. Aus Zeitgründen sind wir sie jedoch „nur“ einmal hinaufgefahren, wobei sie hinunter mit Blick auf den Fjord sicher noch viel besser ist!
Nach einer halben Stunden erreichen wir in Eidsdal den nächsten Fähranleger, wobei uns das Schiff gerade vor der Nase davon fährt. Macht aber nichts, denn die Fahrt über den Fjord ist an dieser Stelle recht kurz und die Fähre verkehrt alle 20 Minuten. Praktischerweise liegt genau gegenüber ein Coop Supermarkt, so dass wir die Wartezeit gut nutzen können und unsere Vorräte auffüllen.
Von Valldal auf der anderen Seite des Fjords führt die Straße immer weiter hinauf und ehe wir uns versehen, sind wir umgeben von Schnee und Eis. Und das Anfang Juni, auf einer Höhe von gerade mal ein paar hundert Höhenmeter über dem Meer bzw. Fjord.
Aussichtsplattform am Visitor Center
Kurze Zeit später taucht plötzlich ein futuristisches Gebäude am rechten Straßenrand auf, bei dem es sich um das Trollstigen Visitor Center handelt. Wir fahren also rechts ran und machen uns zu Fuß zur Aussichtsplattform auf, die sich direkt über dem Stigfossen Wasserfall befindet. Wer nicht aufpasst, kann sich hier im eiskalten Wasser leicht nasse Füße holen, denn der betonierte Pfad führt direkt entlang des Flusses, der sich nur wenige Meter später in die Tiefe stürzt. Der Blick von der Plattform ist einfach nur atemberaubend!
Als wir zum Auto zurückkehren, spüre ich allmählich ein leichtes Kribbeln. Gleich ist es soweit und ich fahre diese Wahnsinnsstraße hinunter. Ich warte etwas ab und habe Glück, kein Auto vor mir, dass mich gleich nach den ersten hundert Metern „ausbremsen“ könnte…
Behutsam lenke ich in die erste Rechtskurve, steige kurz nach dem Scheitelpunkt auf’s Gas, ziehe das Auto förmlich aus der Kurve und beschleunige dank Gefälle rasend schnell über die nächste Gerade. Bei den meisten Kurven sieht man beim Bergabfahren übrigens gut genug aus, um entgegenkommenden Verkehr abzuwarten 😉
Nach gefühlten zwei Minuten ist man auch schon wieder unten angekommen, wo es glücklicherweise einen Park- bzw. Wendeplatz gibt, um die Strecke gleich im Anschluss noch einmal hinaufzufahren, was ich trotz Coris Kopfschütteln auch mache.
Tipp: Übernachtung in einer Fasshütte am Gjerdsetvatnet
In Fahrtrichtung Åndalsnes gibt es wenige Kilometer später einen großen Campingplatz bei dem man, typisch Norwegen, nicht unbedingt im Wohnmobil oder Zelt übernachten muss. Stattdessen kann man sich auch komfortable Hütten anmieten, um den Trollstigen für eine Fahrt am nächsten Morgen ganz nah zu sein.
Wir haben uns jedoch für eine etwas andere Hüttenunterkunft entschieden und fahren noch ein gutes Stück (knapp 4O Minuten) weiter bis zum Gjerdsetvatnet, einem kleinen See auf der Åndalsnes gegenüberliegenden Seite am Romsdalfjord. Im Gjerdset Turistsenter haben wir nämlich eine Fasshütte gebucht, die man bei uns als „Fasssauna“ auch im Baumarkt bekommen würde 😉 Da drin haben theoretisch sogar vier Personen Platz (Doppelbett im hinteren, erhöhten Teil, zwei Einzelbetten und Durchgang im vorderen Teil).
Die Unterkunft verfügt sogar über einen Whirlpool und Boote, die man sich kostenlos ausborgen und eine Runde um den See rudern kann. Sehr empfehlenswert!
Weiterreise
Für die Weiterreise habt ihr hoffentlich noch genug Zeit mitgebracht. Wie schon erwähnt, war der Gjerdsetvatnet bereits der nördlichste Punkt unseres Roadtrips und somit immer noch relativ weit südlich. Norwegen ist einfach ein enorm großes Land, das unterschätzt man im Atlas leicht: Von der Südküste bis zum Nordkap braucht man mehr als einen Tag (reine Fahrzeit!), und auch nur wenn man über Schweden „abkürzt“. Fährt man ausschließlich innerhalb Norwegens, sind es gar 34 Stunden.
Etwas näher als zum Nordkap wäre es zur berühmten Atlantikstraße auf der Rv 64 gewesen, die über acht Brücken und ebenso viele Kilometer die Orte Vevang und Kårvåg miteinander verbindet. Für Roadtrip-Fans nach dem Trollstigen sicherlich das nächste Highlight in dieser Gegend Norwegens und „nur“ zweieinhalb Stunden entfernt.
Viel Spaß und sichere Fahrt auf Norwegens Straßen 🙂
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