Wer mich kennt weiß, dass ich mich schon lange für Street Art begeistere. Wenn ich durch die Gassen einer neuen Stadt laufe, schweift mein Blick andauernd an Fassaden rauf und runter. Es könnte sich ja ein Straßenkünstler an einer Hauswand oder einem Stromkasten „ausgetobt“ haben. Damit meine ich natürlich nicht die Graffiti-Tags an jeder Haustür, mit denen zuletzt Wien verunstaltet wurde. Viel mehr geht es mir dabei um großflächige Murals und Stencils, mit künstlerischem, teils sogar fotorealistischem Anspruch. In Wien sind diese beispielsweise am Donaukanal zu finden, wo auch legal gesprayt werden darf.

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Graffiti als politische Propaganda in Argentinien

In Buenos Aires findet man kaum eine Hausmauer, die nicht angesprayt wurde. Neben (echter) Straßenkunst und Tag-Graffitis fallen uns auch überraschend viele politische Botschaften auf. Meistens zugunsten der umstrittenen Präsidentin Kirchner. Dahinter steckt „La Cámpora“, eine politische Jugendorganisation, gegründet vom Sohn der Präsidentin. Tatsächlich handelt es sich bei deren Botschaften, die sich überall in Buenos Aires befinden, um leicht identifizierbare politische Propaganda. Vor allem wenn man den Hintergrund dazu kennt, so wie unser Guide Wenzel.

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Street Art Tour durch Buenos Aires

Über die Website von BA Street Art haben wir eine Tour gebucht, die uns durch mehrere Stadtteile von Buenos Aires führt. Am Treffpunkt in Colegiales wartet bereits Wenzel auf uns vor einem Café. Wie es scheint sind wir an diesem überraschend warmen Winter-Samstag seine einzigen Teilnehmer der Tour. „Momentan ist Nebensaison in Buenos Aires, da sind kaum Touristen in der Stadt. Im Sommer ist hier die Hölle los!“, begrüßt uns Wenzel auf Deutsch. Er ist vor 3,5 Jahren von Deutschland nach Argentinien ausgewandert und arbeitet momentan als Straßenkünstler und Tour Guide. Entsprechend kennt er sich in der Szene bestens aus.

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Wir steigen in den Zug, um in einen benachbarten Stadtteil zu gelangen. Ob wir denn kein Ticket kaufen müssen?! „Wenn in Buenos Aires die Bahn streikt, bleiben zwar die Ticketschalter geschlossen, die Züge fahren aber trotzdem. Die Leute fahren alle gratis. Da sagt niemand etwas, das ist hier normal!“, erklärt Wenzel. Sehr sympathische Form des Protests, wie wir finden 🙂

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Kurz darauf verlassen wir auch schon wieder den Zug und gelangen zu unserem ersten Straßenbild an der Mauer eines Privathauses. „Dieses Kunstwerk wurde von den Eigentümern in Auftrag gegeben und bezahlt. Entweder wir klingeln bei den Leuten an der Tür und fragen, ob wir ihre Wände bemalen dürfen oder sie sprechen uns direkt darauf an. Je nachdem haben wir dann mehr Freiheiten oder bekommen für unsere Kunst auch mehr als nur den Materialwert bezahlt“, so Wenzel. Er selbst ist in der Szene als Lapiz aktiv.

Wenig später kommen wir zu einer weiteren Hausmauer, an der gleich mehrere Straßenkünstler gearbeitet und sich dabei alle Freiheiten genommen haben.

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Von Primo stammt das fotorealistische Bild eines schwarzen Mädchen, mit Gesichtsbemalung im Stile eines Ureinwohners. „Ist euch aufgefallen, dass es in Argentinien kaum Schwarze gibt?“, fragt uns Wenzel – und erklärt auch sogleich den tragischen Hintergrund von Sklaverei bis hin zu modernem Gladiatoren-Tum: Den versklavten Schwarzen wurde die Freiheit versprochen, wenn sie mehrere Jahre lang in einem Krieg gegen die Chilenen kämpften. Daran möchte der Künstler erinnern. Denn: Argentinien ist nachwievor stark durch Europäer geprägt, schwarze Menschen gibt es jedoch kaum mehr. „Die Menschen sind hier zum Teil sehr rassistisch, entsprechend ist diese Bild zunächst nicht besonders gut angekommen in der Nachbarschaft“.

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Daneben finden wir zwei Jungen, die in einer Schneekugel sitzend im Sand spielen, während sie von einer Kriegsschildkröte durch eine verwüstete Szenerie gezogen werden. Klingt ziemlich verrückt? Sieht aber beeindruckend aus, wie wir finden.

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Ganz interessant ist auch hier die Entstehungsgeschichte: Während die Jungs vom Australier Fintan Magee gemalt wurden, stammt die Schildkröte von Martin Ron. Der eine spricht nur Englisch, der andere nur Spanisch. Trotzdem haben sie es irgendwie geschafft, ein gemeinsames Kunstwerk zu kreieren, das auch tatsächlich so geplant war, wie uns Wenzel versichert.

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Ebenfalls von Martin Ron stammt dieses großflächige Bild, das zunächst von der Stadt zu Ehren eines kürzlich verstorbenen argentinischen Architekten in Auftrag gegeben wurde. Nachdem es Unstimmigkeiten mit dem lieben Geld gab und der Künstler schließlich gar nicht mehr bezahlt werden sollte, nutzte er die ihm zur Verfügung gestellte Fläche für seine eigene Interpretation einer Hommage.

So ziehen wir weiter durch die Straßen und besprechen bei jedem Bild Details wie die verwendete Technik und auch offensichtliche Proportionsfehler. Warum der Künstler dieses Bildes wohl nichtmal seinen Namen dazu sprayen wollte liegt wohl im wahrsten Sinne „auf der Hand“, oder?

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Der italienische Künstler BLU ist mir nicht zuletzt durch seine großflächigen Murals in Berlin bekannt. Auch in Buenos Aires war er aktiv, von ihm stammt beispielsweise dieses Werk.

Am Rückweg, gleich neben einer weiteren Zughaltestelle, beginnt Wenzel plötzlich laut zu fluchen. Ein aufwändiges Stencil von Lapiz wurde mit Anti-Israel Parolen und Hakenkreuz-Symbol übermalt. „Das ist schon das zweite Mal an derselben Stelle!“, seufzt Wenzel auf. Selbst wenn es in Buenos Aires eher selten vorkommen soll, aber auch das gehört zur Straßenkunst dazu: Sie ist vergänglich, nicht jeder zollt dem Kunstwerk gleichermaßen Respekt, man wird übermalt und getaggt.

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Fazit

Wäre ich alleine mit meiner Kamera durch die Straßen von Buenos Aires gelaufen, hätte ich wahrscheinlich ebenso viele Street Art Werke entdeckt, kurz fotografiert – und wäre weitergegangen. Dank der Hintergründe und Erklärungen von Wenzel konnten wir uns jedem Kunstwerk aber weitaus intensiver widmen, was meiner Meinung nach auch den klaren Mehrwert dieser Tour darstellt. „Manche wollen aber auch nur möglichst viel sehen und interessieren sich nicht dafür, was dahinter steckt“, meint Wenzel, selbst ganz erstaunt darüber. Wie auch immer, wenn du dich ebenso für Street Art interessierst, kann ich dir diese Tour in Buenos Aires nur weiterempfehlen. Erst recht, weil diese Kunst so schnelllebig ist. Die Tour findet daher auch an verschiedenen Orten statt. Alle Infos dazu findest du hier.

Florian Figl

6 Kommentare

  1. Hallo Flo und Cori.
    So wunderbar von euch zu lesen, bin aufgrund einer Frankreichreise im Juli (zur Zeit eurer Abschiedsfeier) und meinem momentanen Auslandsaufenthalt, erst heute dazugekommen. Dafuer aber gleich alles – und ich hab es verschlungen.
    Suedamerika klingt wahnsinnig spannend und ist fuer mich ein noch (!) unentdeckter Fleck. Bei Street Art muss ich immer auch an Bristol denken und die wunderbare Kunst dort, ebenfalls mit viel viel Hintergrund. Die Tour klingt sehr spannend.
    Macht weiter so. Viele liebe Gruesse. Karina

    • Hallo Karina!
      Freut mich wirklich sehr, dass du bei uns im Blog vorbeischaust und unsere Reise mitverfolgst. Für mich ist es auch das erste Mal hier in Südamerika und bislang gefällt es mir an so vielen Orten ausgesprochen gut, da war noch kein einziges negatives Erlebnis oder Schwierigkeiten dabei. Sogar jetzt nicht, wo ich alleine reise und mich nicht auf Cori’s ausgzeichnetes Spanisch verlassen kann 😉

      Street Art technisch gefällt mir auch Valparaiso in Chile extrem gut. Da kommt dann auch bald ein Beitrag online.

      Falls du übrigens auch eine Postkarte haben möchtest, trage dich doch gerne hier ein: http://www.travelpins.at/newsletter

      Liebe Grüße aus San Pedro de Atacama,
      Flo

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